Alkohol und Nikotin - Neurologische Ursachen der Sucht
Millionen Deutsche sind süchtig. Alkohol und Nikotin sind in der BRD Volksdrogen. Über 5 Millionen Deutsche rauchen, mehr als 1,6 Millionen sind alkoholkrank.
Schleichend werden aus Genussmitteln Suchtstoffe. Das Bier am Abend, getrunken zur Entspannung, oder die Zigarette zum Kaffee, sind der Anfang. Konsum in gewissen Maßen ist gesellschaftlich akzeptiert, das gilt besonders für den Alkohol. Sekt auf dem Empfang oder Bier bei der gemütlichen Grillparty - bei vielen gesellschaftlichen Anlässen wird Alkohol wie selbstverständlich konsumiert. Wer nicht "einen mittrinken" will, gilt schnell als Spielverderber. Denn viele Menschen schätzen die entspannende und enthemmende Wirkung des Alkohols. Für die meisten Deutschen ist der begrenzte Genuss unproblematisch. Ihnen gelingt es ohne Schwierigkeiten, ihren Konsum in gesellschaftlich akzeptierten Maßen zu halten.
Andere scheinen auf die Suchtmittel stärker anzusprechen. Suchtgefährdete Menschen besitzen meist eine geringere Hemmschwelle, Alkohol oder andere Drogen zu konsumieren. Zudem fällt es ihnen weniger leicht, den begonnenen Konsum zu unterbrechen. Die Folge ist, dass häufiger größere Mengen konsumiert werden, als ursprünglich beabsichtigt. Schnell wird so aus dem gelegentlichen Trinken geringer Mengen Alkohol eine Gewohnheit, die sich nur noch schwer unterbinden lässt. Das Verlangen nach der Droge steigt, erste Entzugserscheinungen treten bei Abstinenz auf. Die ersten Schritte in den Teufelskreis der Sucht sind getan.
Aber warum lassen sich einige Menschen schneller zum Drogenkonsum hinreißen als andere ? Warum können einige ihren Umgang mit legalen Drogen nicht kontrollieren ?
Die Frage, warum einige Menschen süchtig werden und andere nicht, beschäftigt Wissenschaftler schon viele Jahre. Lange Zeit ging man davon aus, dass die Umwelt einen entscheidenden Einfluss auf das Suchtverhalten hat. In Untersuchungen konnte nachgewiesen werden, dass Kinder, die in einer konfliktreichen Umgebung aufwachsen, als Erwachsene schneller zu Drogen greifen als Kinder, die aus stabilen Familien mit geregeltem sozialen Umfeld stammen. Soziale Isolation scheint eine große Rolle zu spielen. Nachweislich erhöht sich durch mangelnde positive soziale Kontakte das Suchtrisiko.
Allerdings spricht gegen einen sehr starken Einfluss der Umwelt die Tatsache, dass sich Suchtabhängige in allen sozialen Schichten finden. Vermutlich haben sowohl Kontextfaktoren als auch die Erbsubstanz Auswirkungen auf das Suchtverhalten eines Menschen.
Heute geht man immer mehr von einer genetischen Disposition zur Sucht aus. Vieles spricht dafür:
Studien belegen, dass Kinder von Alkoholikern ein erhöhtes Suchtrisiko besitzen. Bei eineiigen Zwilligen ist das Risiko für das Geschwister sogar um das Zehnfache erhöht, wenn der Bruder oder die Schwester alkoholkrank ist. Der Grund scheint in der Gestaltung der Gene zu liegen, die bestimmte Botenstoffe, wie zum Beispiel Serotonin, herstellen.
Die Konzentration von Serotonin im Gehirn spielt beim Suchtverhalten eine entscheidende Rolle. Wissenschaftler beobachteten, dass Mäuse mit genetisch modifiziertem Serotoninspiegel exzessives Suchtverhalten zeigen. Diese sogenannten "C-57-Mäuse" ziehen in einer Wahlsituation Alkohol Wasser vor, während Mäuse mit nicht-manipuliertem Neurotransmitterhaushalt ausschließlich Wasser zu sich nehmen. Die Präferenz für Alkohol ist bei den C-57-Mäusen so stark, dass sie Alkohol trinken bis sie torkeln.
Ein identischer Einfluss des Serotoninspiegels scheint bei Menschen vorzuliegen. Personen mit einem niedrigen Serotoninspiegel sind empfänglicher für die Wirkungen von Drogen. Der Grund liegt in der neurochemischen Funktion von Suchtstoffen.
Im Gehirn regen sie die Ausschüttung von "Glückshormonen", den Endorphinen an. Diese sorgen für eine Abnahme des Schmerzempfindens und wirken angstlösend. Im Belohnungssystem wird diese angenehme Wirkung bei wiederholtem Konsum mit der Aufnahme der Drogen verknüpft. Alkohol oder Zigaretten wecken infolge Assoziationen an einen angenehmen Gefühlszustand. Ein niedriger Serotoninspiegel begünstigt das Entstehen dieser Verbindung.
Die kognitive Verknüpfung von Drogenkonsum und Wohlbefinden zu brechen, ist das Ziel verschiedener therapeutischer Ansätze. Suchtkranke werden zum Beispiel angehalten, sich beim Sehen der für sie verlockenden Rauschmittel an das schlimmste Stadium ihrer Suchtkarriere zu erinnern. Eine drastische Methode vergleichbarer Art stellt die Behandlung mit Brechmitteln dar. Nach dem Alkoholkonsum werden die Patienten gebeten, ein Brechmittel einzunehmen. Die resultierende Übelkeit soll kognitiv an den Alkoholkonsum geknüpft werden.
Nur wenige Suchtkranke schaffen es, sich ohne derartige professionelle Hilfe von ihrer Sucht zu befreien. Die Ursache liegt in dem Teufelskreis aus Konsum und Entzugserscheinungen. Aufgrund des übermächtigen psychischen Verlangens und der körperlichen Symptome greifen die meisten Betroffenen immer wieder zur Droge. Die Zyklen werden mit zunehmender Dauer der Abhängigkeit für gewöhnlich kürzer. Starke Alkoholiker wachen bei Abstinenz nachts häufig aufgrund der Entzugserscheinungen auf. Sie zittern, sind unruhig und können unter Wahrnehmungsstörungen und Bewusstseinstrübungen leiden. Das Wissen, dass ein Schluck Alkohol sie von dieser Qual befreien kann, wird übermächtig.
Um nicht gar nicht erst in diesen Teufelskreis zu geraten, sollte man sein eigenes Verhalten regelmäßig reflektieren und sich beim Alkoholkonsum an die gegebenen Grenzwerte halten.
Das Trinken von mehr als zwei Gläsern Wein oder Bier pro Tag gilt als gesundheitsschädigend. Übermäßiges Trinken sollte also schon aufgrund möglicher körperlicher Schäden unterlassen werden. Langfristig vergiftet Alkohol den Körper. Es kann zu Fetteinlagerungen in der Leber kommen, die letztlich eine Entzündung hervorrufen. Gleichzeitig wird durch die Aufnahme von Alkohol langfristig das Immunsystem geschwächt. Bluthochdruck und Schäden der Nervenzellen im Gehirn sind weitere Folgen. Die gravierenden Gesundheitsschäden, die durch den Konsum anderer Drogen, zum Beispiel Zigaretten entstehen, sollten immer wieder erinnert und nicht verdrängt werden.
Um dem Körper die Gelegenheit zu geben, sich von der Aufnahme von Alkohol zu erholen, sollte zudem häufiger für einige Tage oder eine Woche völlig auf den Genuss alkoholischer Getränke verzichtet werden. Fällt dies schwer, ist das ein Warnsignal. In diesem Fall sollte darüber nachgedacht werden, professionelle Hilfe zu suchen. Über zwei Millionen Menschen gelten in Deutschland in Bezug auf Alkohol als suchtgefährdet.